Warum die Bauernschaft wütend ist
Ausgabe 19 - Was Sie wissen müssen, um die Proteste der Landwirtschaft zu verstehen
Moin
und eines frohes neues Jahr.
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Wir starten das neue Jahr leider mit einem wenig erfreulichen Thema: Den Protesten der Bauernschaft. Soviel vorab: Es ging niemals bloß um Agrardiesel & Kfz-Steuerbefreiung. Und die Bauernschaft besteht auch nicht nur aus geldgeilen radikalen Flitzpiepen. Es gibt umfangreichen Reformbedarf, wenn wir weiterhin Lebensmittel in Deutschland produzieren wollen. In dieser Ausgabe möchte ich Ihnen im Schnelldurchlauf die größten Baustellen vorstellen und erklären, warum der Frust in der Bauernschaft so groß ist.
Schön, dass Sie dabei sind.
Trecker am Brandenburger Tor zur Bauerndemo am 18.12.23
Die Landwirtschaft
Zunächst einmal ist ganz wichtig zu verstehen, dass es „die Landwirtschaft“ nicht gibt. Die Agrarbranche in Deutschland ist heterogen in ihrer Struktur, sowohl was die Größe der Betriebe angeht, als auch was die Produktion betrifft. Es macht einen Unterschied, ob ein Betrieb Ackerfrüchte anbaut, Gemüse züchtet, Ferkel aufzieht, Schweine mästet, Kühe melkt, Hühner zur Eiproduktion hält oder Geflügel zur Mast, ob Weinbau betrieben wird und und und.
Je nach Produktionsgebiet unterscheiden sich Lieferketten, Absatzmöglichkeiten, Personalaufwand. So wie Sie einen Maler nicht anrufen, um die Elektrik in Ihrem Haus zu machen, schicken Sie einen Weinbauer auch nicht in den Ferkelstall.
In der politischen Debatten werden die unterschiedlichen Betriebe gerade vielfach in einen Topf geworfen. Ein Beispiel, warum das Käse ist:
Auf dem Dreikönigstreffen der FPD erklärte Parteichef Christian Lindner, die Bauern würden ja neue Subventionen bekommen – nämlich für den tierfreundlichen Umbau ihrer Ställe. Deshalb könnten sie ja auf eine andere Subvention – den Agrardieselzuschuss von rund 21,5 Cent pro Liter – verzichten. Was aber hilft eine Subvention für den Stallumbau einem Ackerbaubetrieb? Genau – nüscht. So werden in der Debatte die unterschiedlichen Betriebe gegeneinander ausgespielt.
Alle Details zur Agrarstruktur in Deutschland können Sie hier nachlesen: [Link]
Warum demonstriert „die Landwirtschaft“ denn nun?
Aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit wären die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland vom Wegfall der Agrardieselsubvention sehr unterschiedlich betroffen, ebenso vom Wegfall einer KFZ-Steuerbefreiung. Bei einigen würde das richtig ins Kontor scheppern, bei anderen wärs halt bloß ein unangenehmes Pieken. Dennoch ging nach der Ankündigung der Maßnahme Mitte Dezember der Aufschrei durch nahezu alle Gewerke. Großbauer bis solidarische Landwirtschaft. Was die Regierung vorhatte, es war wie ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Auch deshalb ist die ganze Nummer jetzt durch eine teilweise Rücknahme der Maßnahmen nicht so einfach wieder einzufangen.
Viele landwirtschaftlich Tätige fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen, von der Bevölkerung in ihrer Leistung nicht anerkannt. Dazu kommt ein Gefühl der Überforderung – angesichts von Bürokratie und gewolltem wie notwendigem Strukturwandel. Da ist die Klimakrise, die man besonders merkt, wenn man versucht Agrargüter anzubauen. Dürren und Hochwasser werden häufiger – damit muss man einen Umgang finden – gar nicht mal so einfach. Dann ist da eine Politik, die einem stets neue Vorgaben macht. Nicht aus Willkür, aber eine von außen herbeigeführte Veränderung, die als Belastung empfunden wird.
Beispiel: Rote Gebiete.
In einigen stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten ist der Nitratgehalt des Grundwassers zu hoch. Viel zu hoch. Hier wurde über Jahre zu viel Dünger ausgebracht, insbesondere Gülle auf die Felder gefahren. Deutschland hatte deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission an der Backe, es drohten millionenschwere Strafzahlungen. Denn zu viel Nitrat im Grundwasser kann eine Belastung für die Gesundheit der Anwohner:innen werden. Die Wasserwerke der betroffenen Regionen mussten zusätzliche Gelder investieren, um das Wasser aufzubereiten. Gesellschaftliche Folgekosten einer fehlgeleiteten Landwirtschaft.
Über die neue Düngeverordnung wurde lange gestritten, die Dokumentation bringt neue Bürokratie mit sich, von vielen Betrieben wird dies als Belastung empfunden. Ähnlich beim Insektenschutz, hier gab es vor einigen Jahren auch umfangreiche Proteste. All das passiert politisch nicht in böser Absicht, kommt aber bei einigen Betrieben als Verkomplizierung ihrer Arbeit an, für die sie „die Politik“ verantwortlich machen.
Beispiel: Tierwohl
Die Bürger:innen in Deutschland wollen, dass die Tiere, die sie essen, besser gehalten werden. Das ist regelmäßig das Ergebnis von Umfragen, lässt sich so sogar auf EU-Ebene übertragen. [Link]
Niemand möchte die Bilder von Tieren aus Massentierhaltung sehen. Entsprechend hat sich auch die Politik aufgemacht, mehr fürs Tierwohl zu tun – so gibt es seit diesem Jahr ein Tierhaltungskennzeichen, das unterschiedliche Haltungsformen transparent machen soll. Zunächst erstmal bei Schweinefleisch.
Nur: Die bessere Haltung soll nichts kosten. Auch wenn Verbraucher:innen in Umfragen immer wieder behaupten, sie würden natürlich mehr Geld für Fleisch aus besserer Haltung bezahlen – sie setzen das an der Kasse nicht um. So haben während der starken Inflation 2023 auch deutlich weniger Menschen Bioprodukte gekauft – weil sie auf Sparkurs waren. Funfact: Bioprodukte waren deutlich weniger von der Inflation betroffen, Biobutter war teilweise günstiger als konventionelle. [Link]
Die Anforderungen, die die Gesellschaft an die Landwirtschaft stellt – gehen nicht einher mit der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen. Deutsche wollen Lebensmittel weiterhin möglichst billig einkaufen.
Bauerdemo in Berlin am 18.12.23
Die Bauern machen die Preise nicht
Da sind wir beim nächsten Problem – denn der Handel weiß um die Bedürfnisse seiner Kund:innen. Er versucht deshalb Produkte möglichst günstig einzukaufen. Das macht es für landwirtschaftliche Betriebe schwierig, steigende Kosten an die Verbraucher:innen weiterzugeben. Der Handel weiß das zu verhindern. Im Milchsektor etwa sind mit den Molkereien noch zusätzliche Akteure mit Gewinnabsicht dazwischen geschaltet. Nur wer direkt vermarktet, bestimmt den Preis selbst, für kleine Betriebe ist das aber kaum leistbar, beziehungsweise stoßen auch sie wieder auf das Problem der mangelnden Zahlungsbereitschaft der Kundschaft. Und so fühlen sich nicht wenige Bauern im Schraubstock zwischen politischen und gesellschaftlichen Anforderungen sowie Marktrealitäten.
Strukturwandel
Und in genau dieser Gemengelage schlägt der demografische Wandel auch in der Landwirtschaft zu. Die Babyboomer kommen in ein Alter, wo sie Nachfolger:innen brauchen. Die zu finden, wird immer schwieriger. Wer will schon in einen Job einsteigen, der sich nicht rentiert, der in hohem Maße vom Staat abhängig ist und der wenig Anerkennung genießt. Die Anzahl der Betriebe in der bäuerlichen Landwirtschaft, also der familiär geführten geht seit Jahren zurück. Das Land geht häufig in Besitz oder Pacht an andere Betriebe – sodass weniger Betriebe jeweils größere Flächen bewirtschaften. Das wird gleich interessant, wenn wir uns die Subventionen genauer anschauen.
Ja gut, dann gibt es halt weniger Betriebe - wo ist das Problem?
Ein sehr großes davon ergibt sich daraus für den ländlichen Raum - für die Struktur der dortigen Gesellschaft. Landwirtschaftliche Betriebe sind hier die Orte, an denen Wertschöpfung passiert, die Geld in die Regionen bringen. Auch Steuereinnahmen. Mit der abnehmenden Wirtschaftskraft schwinden Investitionsmöglichkeiten für die Gemeinden, durch wegfallende Arbeitsplätze ziehen auch Leute weg. Die Regionen dünnen aus. Vereinsamung, das Gefühl abgehängt zu sein, Nährboden für Radikalisierung. Landwirtschaft ist auf dem Land ein Bindemittel, stirbt sie, geht alles aus dem Leim.
Kostentreiber
In die oben beschriebene ohnehin schwierige Gemengelage kommen einige Faktoren auf der Ausgabenseite, die es für Betriebe auch heikel machen können. Düngerpreise etwa, diese sind durch die Energiekrise stark angestiegen, weil industrieller Dünger auf der Basis von Erdgas produziert wird. Dies ist insbesondere im Ackerbau ein Kostentreiber. Dieser hat auch mit steigenden Pachtpreisen zu kämpfen.
Dass es nun ausgerechnet die Landwirtschaft sein soll, die zur Haushaltskonsolidierung belastet wird, verstehen viele nicht. Wieso wird nur hier eine klimaschädliche Subvention gestrichen, das allgemeine Dieselprivileg bleibt aber bestehen? Während es bislang ausgerechnet in der Landwirtschaft kaum alternative fossilfreie Antriebe gibt und in anderen europäischen Staaten teilweise das Fahren mit Heizöl erlaubt ist?
Für die landwirtschaftlich Tätigen fühlten sich die Pläne einmal mehr an, als wären sie Karl Arsch. Und das war nun eben einmal zu viel. Zuvor hatte die Bundesregierung bereits bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz gekürzt – was dieses Jahr 300 Millionen weniger für die Entwicklung ländlicher Räume bedeutet. Und in vielen Bundesländern hakte es massiv bei der Auszahlung der EU-Agrarsubventionen, sodass viele Betriebe schlicht ihr Geld noch nicht bekommen hatten.
Aber geht es den Landwirten nicht gerade prächtig?
Ja, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat dazu geführt, dass einige Bereiche der Landwirtschaft in den letzten Jahren richtig gut verdient haben. Die Milchpreise zogen etwa zwischenzeitlich richtig gut an. Das ist allerdings bereits wieder rückläufig und in den Vorjahren sah es deutlich weniger rosig aus. Zwei fette Jahre machen noch kein fettes Konto, zudem hatten auch die Betriebe mit den gestiegenen Energiekosten zu kämpfen. Das Landwirtschaftsministerium schreibt dazu im Agrarbericht 2023
„Wie die Unternehmensergebnisse der Haupterwerbsbetriebe (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) zeigen, waren auch in diesem Berichtszeitraum erhebliche jährliche Einkommensschwankungen in der Landwirtschaft zu verzeichnen. Ursachen hierfür sind vor allem Witterungseinflüsse und Schwankungen der Erzeuger- und Betriebsmittelpreise. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und damit zusammenhängende Marktverwerfungen haben zudem Einfluss auf die Unternehmensergebnisse des Wirtschaftsjahres 2021/22 genommen. In den Wirtschaftsjahren 2018/19 und 2020/21 entwickelten sich die Einkommen der Haupterwerbsbetriebe im Vergleich zum jeweils vorangegangenen Wirtschaftsjahr rückläufig.“
Und auch die beschriebenen strukturellen Probleme verpuffen durch zwei gute Einnahmejahre nicht einfach. Wer sich jetzt hinstellt und behauptet, der Landwirtschaft gehe es prächtig, ignoriert all die vorhandenen Probleme.
Die EU-Agrarsubventionen
Weil die Landwirtschaft wie oben beschrieben strukturiert ist, rechnet sie sich nicht. Jedenfalls nicht nach den Regeln des Marktes. Im Ausland produzierte Waren sind häufig günstiger. In anderen europäischen Ländern sieht das ganz ähnlich aus. Es gibt deshalb ein umfangreiches System an EU-Agrarsubventionen, das die heimische Wirtschaft schützen sol. Eine der wichtigsten Posten im EU-Haushalt.
Betriebe aus Deutschland haben im Jahr 2022 laut Angaben des Landwirtschaftsministeriums 7 Milliarden Euro bekommen, dieses Geld wurde an 315.000 Betriebe ausgezahlt. Welcher Betrieb wie viel Geld bekommen hat, ist öffentlich einsehbar: [Link] Das Subventionssystem ist unübersichtlich und bürokratisch. Es wurde im Laufe der Jahre angepasst, um die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten, bisher mit eher mäßigem Erfolg.
Eine der wichtigsten Zahlungen ist die Basisprämie im Rahmen der 1. Säule – hier kriegen Betriebe Geld dafür, dass sie Fläche bewirtschaften. Simpel. Inzwischen müssen dabei auch ökologische Kriterien eingehalten werden, so ist es beispielsweise nicht erlaubt Hecken oder Baumreihen umzunieten. Das war nicht immer so, weshalb viele dieser für die Ökologie wichtigen „Zwischenlandschaften“ verschwunden sind. Auch Flussauen, die heute für den Hochwasserschutz so wichtig wären, sind dem subventionierten Flächenhunger vielerorts zum Opfer gefallen. Moore wurden trocken gelegt, um die Flächen bewirtschaften zu können, was heute mit Flächenprämien subventioniert wird. Klimaschädlich.
Die Subventionen, die die Landwirtschaft erhalten sollen, haben vielerorts also ebenso die Zerstörung der Umwelt mit subventioniert. Jahrelang wurde auf diese Weise auch eine Überproduktion gefördert, die in den Export ging - auf Kosten unserer Umwelt und Steuergelder wurde etwa Schweinefleisch für den asiatischen Markt produziert. Wegen der Verbreitung der afrikanischen Schweinepest in Europa setzt China inzwischen verstärkt auf Eigenproduktion in hochhausähnlichen Ställen. Auch das setzt deutsche Produzenten unter Druck.
Trocken gelegtes Moor in Brandenburg, Sommer 2023
Umweltschäden
Auch das darf in der Debatte nicht vergessen werden: Die Art, wie Landwirtschaft (nicht nur) in Deutschland betrieben wird, schadet unseren Lebensgrundlagen. Die intensive Bewirtschaftung von Flächen ist ein zentraler Grund für den Verlust von Biodiversität, sorgt dafür, dass Böden degenerieren, die in der Folge weniger Kohlenstoff binden. Über belastetes Grundwasser sprachen wir schon. Es ist ein nicht funktionierendes System, das unseren Lebensgrundlagen schadet. Stichwort: Transformationsdruck.
Konsens
Dass sich in der Landwirtschaft etwas ändern muss, darüber gibt es eigentlich sogar einen gesellschaftlichen Konsens. 2021 hat die von Angela Merkel ins Leben gerufene Zukunftskommission Landwirtschaft einen Abschlussbericht vorgelegt, der alle notwendigen Punkte enthält, um die Landwirtschaft für alle Akteure besser zu machen. [Link] Da stimmte selbst der Bauernverband einer Reduktion der Tierhaltungszahlen zu.
Die Kommission war hochkarätig besetzt – mit Teilnehmenden aus allen entscheidenden Themenbereichen. Landwirtschaft, Einzelhandel, Wirtschaft, Umwelt- und Sozialverbände sowie Wissenschaft. Gemeinsam haben sie einen Kompromiss erarbeitet.
Umgesetzt wurde er bis heute unzureichend. Wohl auch, weil dieser Konsens bedauerlicherweise erst zum Ende von 16 Jahren CDU-geführter Bundesregierung herbeigeführt wurde. Das Landwirtschaftsministerium war in dieser Zeit stets in konservativer Hand. Dass die Landwirtschaft heute steht wo sie steht, liegt am mangelnden Handeln dieser Akteure. Die Politik lässt Chancen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, seit Jahren liegen. Das ist, was große Teile der Bauernschaft so wütend macht.
Die Profiteure
Im beschriebenen System geht es nicht allen schlecht. Insbesondere Großbetriebe und Agrarholdings profitieren davon. Wenn kleine Höfe aufgeben, kaufen sie die Flächen auf, können dadurch den Batzen an Subventionen, den sie einstreichen, noch vergrößern. Durch ihre Größe, ihre wirtschaftliche Stärke und ihr gutes Netzwerk sind sie in der Lage, Reformen zu verhindern.
Quelle: Agrarbericht 2023
Die Rolle des Bauernverbandes
„Der Bauernverband“ ist entgegen seines Namens keinesfalls die Interessenvertretung aller Bäuerinnen und Bauern. Diese Bedeutung hat er in den vergangenen Jahren verloren. Entstanden ist eine Vielzahl anderer Interessengemeinschaften, in denen sich etwa ökologisch wirtschaftende Betriebe oder die bäuerliche Landwirtschaft organisieren. Dennoch hat der Bauernverband politisches Gewicht, auch weil er eng mit der CDU verdrahtet ist. Stehen Reformen für die Landwirtschaft an, hat der Bauernverband oft die Haltung, den Status Quo sichern zu wollen und Veränderungen abzuwehren.
In der aktuellen Protestgemengelage ist es vor allem der Bauernverband, der zu mobilisieren versucht. Andere Verbände kritisierten die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft jedoch auch deutlich. Auch wenn sie teilweise ebenfalls zur Bauerndemo am 18. Dezember aufriefen, auf der Bühne dort standen Vertreter:innen des Bauernverbandes. Dessen Präsident Joachim Rukwied fand teilweise scharfe Worte.
Die Pläne der Bundesregierung seien eine Kampfansage, die man annehme.
Sollte die Regierung die Maßnahmen nicht zurücknehmen, so drohte Rukwied, werde man ab dem 8. Januar dafür sorgen, dass es einen heißen Januar gebe. Er forderte außerdem etwa die Gastronomie und das Transportgewerbe dazu auf, sich dem anzuschließen. Rukwied hat hier ganz schön Wind gemacht. Vielleicht auch, um seinem Verband wieder ein Stück der alten Größe zurück zu geben.
Die Vereinnahmung von rechts
Wind, der aufgenommen wurde. Schon bei der Demo am 18. Dezember konnte ich beobachten, dass einige der Teilnehmenden sich vom Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verabschiedet hatten oder auf dem Weg waren. Viele aggressive Transparente, eine Plakat mit dem Gesicht von Landwirtschaftsminister Özdemir und dem Wort „Treibjagd“, gegen das vom Bauernverband nicht eingeschritten wurde.
Hasserfüllte Gespräche zwischen den Teilnehmenden über die Mitglieder der Ampelregierung. Ein Bauer pöbelte mich an, weil ich als Pressevertreterin zu erkennen war. Seit dem 18. Dezember haben extremistische Strömungen versucht, das Narrativ eines Generalstreiks heraufzubeschwören. Wollen ab dem 8. Januar Deutschland lahmlegen, um die Ampelregierung zu stürzen – so die Erzählung.
Die AfD mobilisiert für entsprechende Aktionen, Reichsbürgerorganisationen und andere offen rechtsextreme versuchen in Chatgruppen und andernorts Wind zu machen. Regional gibt es Hamsterkäufe, aus Angst die Bauern könnten alles blockieren. Was sich da zusammenbraut, ist schwer abzuschätzen, vielerorts wird man auch gar nichts davon merken. Insgesamt halte ich die Entwicklung aber für gefährlich. Einen vorläufigen Höhepunkt sahen wir, als Robert Habeck in Schleswig-Holstein bei der Rückreise aus dem Urlaub bedrängt wurde. Einige Agrarinfluencer versuchten dies im Nachhinein kleinzureden. Das bisschen Schubsen, sowas passiere auf dem Fußballplatz doch auch. Gewaltverharmlosung.
Die Abgrenzung
Der Bauernverband versuchte es mit einer Distanzierung, Verbandspräsident Rukwied erklärte, rechte Stimmen seien auf den Demos nicht willkommen. Sie werden aber nichtsdestotrotz dort sein. Der Verband hält weiterhin an den Demos fest, obwohl die Bundesregierung einen Teil der angekündigten Maßnahmen zurückgenommen hat.
Andere Verbände distanzieren sich noch deutlicher. So etwa die Junge Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, hier werden für die Mitglieder auch Kurse angeboten, um gegen extremistische Argumente anzukommen.
Screenshot von der Instagram-Seite der Jungen ABL
Agrarinfluencer:innen mit großer Reichweite distanzierten sich von der rechten Vereinnahmung ihres Protestes. Verhindern werden sie ihn dennoch nicht können. Bäuerinnen und Bauern, die sich ab morgen an Blockadeaktionen beteiligen, werden gefragt werden, wieso sie gemeinsam mit Extremist:innen auf die Straße gehen. Einzelne Höfe haben auch angekündigt, nicht zu demonstrieren.
Der Keil
Meine Sorge ist, dass die aktuelle Gemengelage die bestehende Polarisierung weiter vorantreibt. Schon jetzt dominieren in sozialen Netzwerken Sichtweisen über die dummen, geldgierigen, extremistischen Bauern. Der Realität wird dies nicht gerecht. Auf der anderen Seite begegnen mir Bauern, die über die Presse und die dummen Städter schimpfen. Am Ende profitieren von dieser Polarisierung nur die extremistischen Kräfte. Und über die dringend notwendigen Reformen für eine funktionierende Landwirtschaft spricht niemand mehr.
Um die Landwirtschaft besser zu machen, die beschriebenen Probleme anzugehen, braucht es aber uns alle. Es braucht bessere politische Rahmenbedingungen und einen veränderten Konsum. Es liegt auch an uns Verbraucher:innen diesen Wandel mit zu gestalten.
Ich hoffe, dass Sie mit den Argumenten dieser Newsletterausgabe für einen kritischen Dialog gerüstet sind. Teilen Sie diese Ausgabe gerne im Freundes- und Bekanntenkreis.
Bis zum nächsten Mal
Frau Büüsker