Menschengemacht
Ausgabe 14 - Wenn Klimaleugnung wieder sagbarer wird, kann man sie noch ignorieren? Oder muss man aktiver widersprechen?
Moin!
Neulich flankte mir ein junger Typ mit Klarnamen in die Instagram-Direktnachrichten, um mich so richtig saftig anzupöbeln. Anlass war ein bereits etwas zurückliegender Talkshowauftritt, in dem ich Dinge gesagt hatte, die ihm missfallen. Nämlich, dass der Klimawandel existiert. Also nein, dass sich das Klima verändert, erkannte er als Tatsache schon an – das lässt sich mittlerweile auch wirklich sehr schwer leugnen. Aber die wissenschaftlich dutzendfach belegte Tatsache, dass menschlich verursachte CO2-Emissionen ein Treiber sind, ne, nixda, das wusste er besser.
Ich weiß das, weil ich mich ausnahmsweise auf einen „Austausch“ eingelassen habe – auch, weil ich mich nicht dermaßen dummdreist anpampen lasse. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mit Klimaleugnern nicht mehr zu diskutieren. Ob das aber die richtige Herangehensweise ist, daran sind mir Zweifel gekommen, auch durch diesen Austausch.
Falls Sie interessiert, warum, lesen Sie gerne weiter.
Schön, dass Sie dabei sind!
„Ich es habe jahrzehntelang immer geduldig mit Sachargumenten versucht. Inzwischen, muss ich sagen, solche Kommentare auf Twitter, die Leute blocke ich einfach, weil ich denke, wer es jetzt noch nicht verstanden hat, was passiert, der ist unbelehrbar und wird es auch nicht mehr verstehen.“
Das antwortete der Klimaforscher Stefan Rahmstorf, als ich ihn danach fragte, wie er mit Zuschriften von Leuten umgeht, die ihm Panikmache vorwerfen. Rahmstorf arbeitet seit Jahrzehnten zum Thema, aktuell am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Er positioniert sich auch politisch, bekommt entsprechend Gegenwind.
Interview hören / Interview lesen
Ähnlich wie Rahmstorf hatte es kürzlich mein Kollege Malte Kreutzfeldt (Table Media) bei Twitter (X) formuliert:
Und ich fühls.
Nachdem mein Interview mit Stefan Rahmstorf verschiedenfach bei Twitter (X) geteilt wurde, hatte ich die Klimaleugner zu Scharen in den Mentions.
Die Klimaleugner von heute stellen ja nicht mehr in Frage, dass es klimatische Veränderungen gibt. Aber sie negieren den menschlichen Einfluss darauf, also CO2 als Ursache. Klimatische Veränderungen habe es schon immer gegeben (stimmt), deshalb seien die derzeitigen Veränderungen überhaupt nicht ungewöhnlich (stimmt nicht). In der Regel haben sie mindestens eine, oft aber gleich mehrere Theorien, warum es gerade heißer wird – wahlweise hat es mit der Sonneneinstrahlung, der Erdachse oder sonstigen Dingen, die man auf wirren Grafiken abbilden kann, zu tun – und überhaupt CO2 ist doch total wichtig für die Pflanzenwelt, wie soll das sonst mit der Photosynthese klappen!
Mhmh.
Nicht nur, dass es schwierig ist, auf dieser oft kruden Basis eine Diskussion zu beginnen, häufig agieren diese Personen auch in hohem Maße aggressiv, greifen zu persönlichen Beleidigungen und lassen ihr Gegenüber ihre Verachtung massiv spüren. Da hat man gleich nochmal weniger Bock auf eine Auseinandersetzung.
Auch meine Devise ist deshalb eigentlich: Das diskutiere ich nicht. Das OB und WARUM der Klimaveränderungen ist wissenschaftlich unstrittig, da ist sich eine Mehrheit der Wissenschaftler:innen einig – ich möchte daher lieber über das WIE diskutieren, also WIE gehen wir damit um. Erst dort ergibt sich der Handlungsspielraum.
Verweigern sich aber jene, deren Job es ist, die Klimakrise zu erklären, also Wissenschaftler:innen und Journalist:innen dieser Diskussion – so bleibt umso mehr Raum für diejenigen, die zweifelhafte Thesen verbreiten. Diese stehen dann unwidersprochen im Raum und gewinnen dadurch an Wirkmacht. Zudem wirkt es natürlich auch irgendwie abgehoben, darauf nicht zu reagieren, auch wenn die Gründe dafür gute sein mögen. Im Ergebnis aber füllt sich der jeweilige Raum mit dem lauten Gebrüll der Leugner. Und das hat Folgen.
Kürzlich sorgte der CDU-Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel, seines Zeichens Gesundheitspolitiker, für Aufsehen, indem er nicht nur bei Twitter Klimaleugnerphrasen postete, sondern auch auf seiner offiziellen Webseite einen Text veröffentlichte, in dem er ziemlich deutlich machte, dass er Emissionsminderung für Mumpitz hält, auch weil er mit falschen Zahlen herleitet, dass sie gar nicht notwendig ist. [Link]
Ein Gesundsheitspolitiker, gelernter Diplom-Betriebswirt, der es besser weiß, als hunderte Klimawissenschaftler:innen weltweit. Rüddel verbreitet hier ein beliebtes Klimaleugnernarrativ, das bereits hundertfach widerlegt wurde. Z.B. hier.
Denn ja, unser Planet hat einen Kohlenstoffkreislauf, in dem CO2 in der Atmosphäre eine wichtige Rolle spielt. Und ja, in dieser kohlenstoffbasierten Welt ist der Anteil, den die Verbrennung von fossilen Stoffen zusätzlich einbringt, im Vergleich betrachtet gering. Aber es reicht eben, um das komplizierte Gleichgewicht kippen zu lassen. Ausführlich beschrieben hier: [Link]
Liest man sich ein wenig in diese Prozesse ein, brummt einem schnell der Schädel, denn die Gemengelage ist ganz schön kompliziert und sie setzt ein gewisses Grundverständnis physikalischer Zusammenhänge voraus. Ich kann Ihnen auch nicht auf Knopfdruck erklären, wie all das mit der Erderhitzung genau funktioniert, in der Regel lese ich die Dinge sicherheitshalber nochmal nach, bevor ich im Radio darüber rede. Es ist kompliziert – und deshalb ist es auch so leicht, Quatsch über den Klimawandel und seine Ursachen zu erzählen.
Das Hauptziel vieler Klimaleugnernarrative ist deshalb auch:
Verwirrung stiften. Die Sache so unübersichtlich machen, dass die Menschen nicht mehr durchsteigen. Mit komplizierten Formeln und Grafiken Seriosität vorgaukeln, sodass Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens irgendwie gerechtfertigt wirkt. Wir mögen doch auch alle Rebellen, die Widersprüche aufdecken. Es muss nicht nachvollziehbar sein, es muss nicht richtig sein, Hauptsache, es säht Zweifel und stiftet Verwirrung.
Ein Ausschnitt aus der eingangs erwähnten Instagram-Unterhaltung
Und seien wir ehrlich, je deutlicher die Folgen der Klimakrise werden, je lieber wäre uns Menschen, wir wären nicht mit dafür verantwortlich. Je ungemütlicher die Transformation hin zu fossilfreien Prozessen, umso mehr sind wir bereit zu glauben, dass das alles gar nicht sein muss.
Je dilettantischer das Agieren der Politik in diesen Fragen, umso größer unser Wunsch, dass ihr Nichthandeln keine Konsequenzen hat.
Es gibt Verlage, die das erkannt haben und ihr publizistisches Angebot darauf zuschneiden. Es gibt Politiker:innen, die das erkannt haben und ihr politisches Angebot entsprechend gestalten. Sie alle eint das Versprechen, dass wir Menschen keine Schuld haben und uns deshalb auch nicht ändern müssen. Die einzige Veränderung, die sie als notwendig beschreiben, ist die Anpassung an die sich ändernde Klimasituation. Was das im Detail heißt, wird selten durchdekliniert, weil sie es vermeiden wollen, zu sagen, wie ungemütlich es wird.
Als der neue Chef des Weltklimarates Jim Skea dieser Tage in einem Spiegel-Interview sagte: „ Die Welt wird nicht untergehen, wenn es um mehr als 1,5 Grad wärmer wird“, frohlockten viele der Klimaleugner und teilten die Schlagzeile wie wild. Skeas Nachsatz: „Es wird jedoch eine gefährlichere Welt sein. Die Länder werden mit vielen Problemen kämpfen, es wird soziale Spannungen geben.“ ignorierten die meisten.
[Link zum Interview (€)]
Klimawandelleugnung wird derzeit wieder sagbarer – das zeigen Beispiele wie Erwin Rüddel. Deshalb wird auch die Zahl der öffentlich „skeptisch“ auftretenden Akteure größer werden. Ich könnte ihnen jetzt schon ein paar Akteure aus den demokratischen Parteien nennen, bei denen ich schwer davon ausgehe, dass sie innerhalb der nächsten Jahre öffentlich „skeptisch“ bis leugnend auftreten werden. Die Angriffe auf echte Wissenschaftler:innen werden heftiger werden. Und wahrscheinlich auch auf Journalist:innen, die faktisch über die Klimakrise berichten. Man könnte sagen, das Klima wird rauer, würde man hier einen wirklich schlechten Wortwitz an unpassender Stelle einbauen wollen.
Der neue Eigentürmer der ehemals als Twitter bekannten Plattform gefällt sich sogar darin, die Plattform zu einer Desinfoschleuder entwickelt zu haben
Es ist deshalb aus meiner Sicht wichtig, diesen Dingen zu widersprechen. Nicht, weil man damit den jeweiligen Akteur überzeugt. Ich mache mir keine Illusionen, einer Taube das Schach spielen beibringen zu wollen.
Wenn aber wieder und wieder das Falsche unwidersprochen bleibt, wirkt es irgendwann, wie die Wahrheit, egal, was die Wissenschaft mehrheitlich davon hält.
Und nein, ich habe keine Blaupause dafür, wie dieser Widerspruch gut gelingen kann. Gerade wenn man mir dumm kommt, neige ich dazu, richtig derbe zurückzukoffern, was manchmal auch eher kontraproduktiv ist. Deshalb stets durchatmen, und möglichst sachlich widersprechen, sich nicht auf das Schachspiel mit der Taube einlassen (die fegt eh nur die Figuren vom Tisch und kackt auf das Spielfeld), im Idealfall eine gut informierte Quelle zitieren. Damit im Zweifelsfall die Mitlesenden, die Zuhörenden Stoff haben, um mit ihrer Verwirrung umzugehen. Damit sie nicht untergehen im Meer der Falschinformationen.
Menschen zu bewussten, informierten Entscheidungen zu befähigen – das ist, was mich als Journalistin in meinem Job antreibt. In der Flut von Desinformation und Respektlosigkeiten kostet das auch eine ganze Menge Kraft. Nicht immer werde ich die haben, aber ich will es zumindest künftig häufiger versuchen und mich dem nicht entziehen.
Falls auch Sie diesen Widerspruch wichtig finden, ihn wagen wollen und sich nun fragen, ja, ok und auf was verlinke ich dann, hier drei Angebote, die vielleicht helfen:
Die Klimafakten des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung
Eine ausführliche Zusammenfassung des Deutschen Wetterdienstes
Eine ausführliche Zusammenfassung des Klima Konsortiums
Und wenn Sie Ideen haben, welche Strategie im Umgang mit Klimaleugnern gut funktionieren kann, freue ich mich über Ihre Hinweise!
Oh und um das nochmal ganz klar zu sagen: Über die Art, wie wir mit der Klimakrise umgehen, welches die richtigen Wege sind, darüber sollten wir streiten, diskutieren, im Austausch miteinander einen Konsens finden. Für die Frage, wie wir am sinnvollsten Emissionen minimieren kann es verschiedene Lösungsansätze geben. Nur weil jemand ein Tempolimit ablehnt, heißt das nicht, dass die Person die Klimakrise leugnet.
Wer allerdings behauptet, das menschliche Handeln hätte gar keinen Einfluss auf das Klima, will genau diesen demokratischen Austausch unterbinden, will uns damit als Gesellschaft unseres Handlungsspielraums berauben.
Ne, danke.
Wäre das hier ein Audio würde ich jetzt kurz Stille stehen lassen, um dann in einem etwas anderen Tonfall neu anzusetzen, damit der thematische Cut deutlich wird. Denn…
…ich hab noch n paar schöne Sachen für Sie.
Eine Podcast-Empfehlung:
Lost Sheroes – Frauen, die in den Geschichtsbüchern fehlen
Ein Podcast der ARD-Welle Cosmo.
[Link]
Vorsicht, ist ein bisschen fetzig produziert, für meinen Geschmack könnte es hier und da ein wenig weniger Musikbett sein, aber ich werd’ halt auch alt. Insgesamt eine schön gemachte, gut erzählte Reihe, die Frauen in den Fokus nimmt, von denen Sie wahrscheinlich absurderweise noch nie etwas gehört haben.
Eine Doku-Empfehlung
Shootingstars - Deutschlands neue Fußballgeneration
[Link]
Über noch mehr Frauen, von denen Sie vielleicht noch nichts gehört haben, es sei denn, Sie haben die Spiele der Frauen-Fußball-WM gesehen. Die Doku stellt die Spielerinnen Laura Freigang, Klara Bühl und Lena Oberdorf genauer vor, auf eine sehr angenehme Art und weil die drei auch alle auf ihre eigene Art cool sind, guckt sich da sehr gut.
Eine Buch-Empfehlung
Die Moskau-Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit
[Link]
Ne, ganz ehrlich, Spaß macht dieses Buch nicht, auch wenn es außerordentlich gut recherchiert und sehr gut geschrieben ist. Reinhard Bingener und Markus Wehner zeichnen nach, wie Wladimir Putin Gerhard Schröder und andere um den Finger gewickelt und damit Deutschland in eine Energieabhängigkeit gebracht hat, deren Folgen wir 2022 alle mächtig zu spüren bekamen. Ist eigentlich ein Must read, ich schaffs aber nur in Etappen, weil es mich so stinkwütend macht. Ob Sie Frank-Walter Steinmeier nach der Lektüre noch als Bundespräsident haben möchte, nunja.
Eine schamlose Eigenwerbung
Dlf-Hintergrund zur Klimaanpassung
[Link]
Wie Deutschland sich an die Klimakrise anpassen kann, bzw. muss und wie die Bundesregierung das mit einem übergeordneten Gesetz auch verbindlich auf den Weg bringen will, habe ich für den Deutschlandfunk erzählt.
So, bis zur nächsten Newsletterausgabe dauert es jetzt nicht wieder so lange, das kann ich Ihnen versprechen. Das Gehirn hat sich nach wochenlangen Heizungsdebatten wieder ein klein bisschen entspannt. Wenn nicht mehr drölf Mal am Tag das Wort “Brechstange” fällt, geht’s eigentlich.
Wenn Sie diesen Newsletter weiterempfehlen mögen, freue ich mich, wenn Sie ihn nicht lesen, deabonnieren Sie ihn, Datenmüll taugt nicht zur Kreislaufwirtschaft.
In diesem Sinne - bis zum nächsten Mal!
Frau Büüsker
Danke mit 3 !!!
Ich ertrage es ebenso nicht mehr und erschrecke mich gar ein wenig wenn ich sage, dass ich fuer meine Kommentarspalten das Hausrecht einfordere. Ergo: dieser Schwurbler:innen fliegen raus. Was ich hier in den letzten 2, 3 Jahren besonders erstaunlich finde... wieviele sich solche Positionen auf einem professionellen Netzwerk wie LinkedIn erlauben. Unter Klarnamen und Nennung des/der Arbeitgeber:in.
Danke! Ausgerechnet bei der schamlosen Eigenwerbung ist der Link kein Link...