Klimakonferenz - oder soll man es lassen?
Ausgabe 18 - Wieso die COP28 in den Emiraten stattfindet, worum es geht & was Knackpunkte sind.
Moin!
Auf Klimakonferenzen wird nix beschlossen, alle fliegen mit dem Flugzeug hin, dann werden da auch lauter Öl-Deals gemacht und eigentlich könnte man sich das Ganze doch echt klemmen. So lese ich es seit Tagen in Kommentaren auf sozialen Netzwerken oder höre es von Entscheider:innen und Kolleg:innen.
Ja, auf Klimakonferenzen wird die Welt nicht gerettet. Aber es braucht sie, damit es überhaupt möglich bleibt, die Welt zu retten.
Wenn Sie Lust haben, zu verstehen wieso, dann ist diese Ausgabe für Sie.
Schön, dass Sie dabei sind!
Im Auswärtigen Amt, der Zentrale deutscher internationaler Klimapolitik
Einer der größten Aufreger der COP28 ist der Gastgeber. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind Ölförderland, OPEC-Staat, der Vorsitzende der Klimakonferenz ist gleichzeitig der CEO des staatlichen Ölkonzerns. Machen wir uns nichts vor: Geil ist das nicht.
Aber es ist nun nicht so, dass jemand gesagt hätte, oh, super Idee, die VAE sind richtig dolle Klimaschützer, lasst uns die COP doch dort machen!
Ne. Die Klimakonferenz wird nach einem Rotationsprinzip vergeben – zwischen den Regionalgruppen der Vereinten Nationen.
„The African Group, the Asia-Pacific Group, the Eastern Europe Group, the Latin American and Caribbean Group (GRULAC) and the Western European and Others Group (WEOG)“
Details: [Link]
Innerhalb dieser Regionalgruppen können sich Staaten bewerben, dann knobeln sie es untereinander aus – und das Land, welches das Rennen macht, meldet sein Interesse dann offiziell beim UN-Klimasekretariat an. Theoretisch könnten die dort sagen, ne, du, lass mal, in reiche Ölländer gehen wir nicht. Aber mit welcher Begründung sollte ein Gremium, das versucht, international unterschiedliche Interessen zusammenzubringen, das tun? Wenn nicht auf UN-Ebene geredet wird, wird oft gar nicht mehr geredet – fraglich, ob das so sinnvoll ist. Plus: Ohne die Ölstaaten wird keine Lösung für die Klimakrise herbeizuführen sein.
Die Entscheidung für die Vereinigten Arabischen Emirate haben also nicht die Vereinten Nationen getroffen, aber ja, sie haben auch nicht nein gesagt.
Es ist also die Frage, was die Weltgemeinschaft draus macht und wie sie mit dem Gastgeber umgeht.
Und was machen die jetzt in Dubai?
2015 hat die Weltgemeinschaft sich bei der Klimakonferenz in Paris darauf verständigt, die Erderwärmung zu begrenzen. Auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter 2 Grad. Dafür müssten die einzelnen Staaten konkrete Emissionsminderungspläne vorlegen, die mit diesem Ziel kompatibel sind. Die sogenannten NDCs. [Link]
In diesem Jahr ist nun die „globale Bestandsaufnahme“ dran. Die Weltgemeinschaft macht im Grunde Inventur, wie gut das mit den Plänen denn geklappt hat.
Naja, nicht so gut, das ist schon klar.
Wir sind schon bei 1,2 Grad Erderwärmung, die Emissionen haben dieses Jahr ein neues Rekordhoch erreicht, obwohl einzelne Staaten sich gebessert haben. Dafür ballern andere mehr.
Suboptimal. Aber schon deutlich besser, als ohne das Pariser Klimaschutzabkommen. Der Climate Action Tracker untersucht jährlich die globalen Klimaschutzziele und Maßnahmen, und berechnet auf der Grundlage die Erderwärmung, die dadurch voraussichtlich zum Endes des Jahrhunderts zustande kommt. Derzeit ist die Prognose, dass die Ziele & Maßnahmen die Erderwärmung unter 3 Grad halten können. Eine 3 Grad heißere Welt ist bei weitem kein Spaß. Schon die 1,2 Grad jetzt sind kein Spaß – das kann alles niemand schönreden. Aber die Prognose hat sich durch das Pariser Klimaschutzabkommen verbessert. Und die formulierten Ziele der Staaten hätten das Potenzial, die Erderwärmung noch deutlicher zu bremsen - würden sie eingehalten. [Link]
Man könnte. Man müsste nur.
Und was folgt nun aus der Bestandsaufnahme?
Darüber müssen die Staaten verhandeln. Und entsprechend der Ergebnisse dann auch ihre NDCs aktualisieren.
Ein erster Entwurf für das Ergebnis liegt bereits vor, 24 Seiten lang, mit sehr verschiedenen Textvarianten. Hier wird nun in den kommenden Tagen um jedes Wort gerungen. Ein entscheidender Punkt dabei: Ob es gelingt, einen Ausstieg aus fossilen Energien zu vereinbaren. Und ob das ein echter Ausstieg wird oder einer mit Hintertür. Das zentrale Wort hier: unabated. Unvermindert.
Derzeit riecht alles nach Hintertür.
Aus Staaten, deren Geschäftsmodell auf fossilen Technologien beruht, kommt in diesem Jahr auf der Klimakonferenz der massive Versuch, mit “Carbon-Management” das fossile Zeitalter zu verlängern. Indem man verspricht, dass man die Emissionen etwa bei der Ölproduktion speichern oder gar nutzbar machen könnte, durch CCS oder auch CCU.
Ich hatte hier im Newsletter schon einmal berichtet, dass die Kohlenstoffspeicherung auch in Deutschland auf die Tagesordnung gelangt ist, hierzulande konzentriert sich die Debatte aber auf sogenannte unvermeidbare Emissionen, beispielsweise aus der Zementproduktion. Die Frage ist aber immer: Was definiert man als unvermeidbar?
Die Ölstaaten, auch die Vereinigten Arabischen Emirate versprechen nun, dass sie bei ihrer Ölförderung Kohlenstoff einfangen und speichern wollen. Das allerdings ist so energieintensiv, so teuer und so wenig praxistauglich, dass man es Stand jetzt als Hoax bezeichnen kann.
Hier wird ein Versprechen für die Zukunft gemacht, das derzeit nicht einlösbar ist, um weiter fossile Stoffe fördern zu können.
Die fossilen Staaten wollen, dass in der Beschlussfassung der COP28 nur der Ausstieg von unverminderten fossilen Technologien beschlossen wird. Unabated. Wenn sie also an ihr Öl dran schreiben, dass der CO2-Ausstoß hier ja technologisch gemindert wird, könnten sie weiter fördern. Das ist Greenwashing.
Die komplexe Gemengelage ausführlich aufgedröselt im Carbon Brief: [Link]
De facto verbirgt sich dahinter der Versuch, den Ausstieg aus fossilen Technologien zu verhindern. Saudi-Arabien beispielsweise hat ja bereits deutlich gemacht, dass es an einem solchen Ausstieg kein Interesse hat. [Link]
Deutschland bedauerlicherweise auch nicht. In der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Klimaußenpolitikstrategie findet sich exakt die Formulierung der fossilen Staaten wieder:
„Wir setzen uns in allen relevanten Foren – insbesondere bei UNFCCC, G7, G20 – für eine beschleunigte globale Energiewende, den globalen Ausbau von Erneuerbaren und den schrittweisen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne CO2-Abscheidung und -Speicherung ein und global für einen Höchststand beim Verbrauch dieser Brennstoffe bereits in diesem Jahrzehnt.“
Zuerst war das den Kolleg:innen vom Climate.Table aufgefallen: [Link]
Bernhard Pötter kommt zu dem Schluss:
”Beim Ausstieg aus den Fossilen konterkariert und schwächt die Strategie […] die deutsche Position auf der COP28.”
Denn Deutschland macht sich damit die Position der Ölstaaten zueigen, die in Wahrheit eine Ausstiegsverhinderungsstrategie ist.
Das ist ein bitterer Rückschlag, wenn auch nicht überraschend. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein Interesse an fossilen Förderprojekten in aller Welt, bei der letzten Klimakonferenz geriet das Beispiel Senegal in den Blick. Die schönen neuen LNG-Terminals in Deutschland sollen schließlich mit LNG gefüttert werden.
Kleiner Exkurs: Was der LNG-Boom für Umweltfolgen in den USA verursacht: [Link]
Wegen der CCS-Frage verprellte Scholz auch die Partnerländer der sogenannten High Ambition Coalition - ein Bündnis aus besonders klimaambitionierten Ländern.
[Link]
„unabated“ – ein so kleines Wort und doch eine so große Wirkung.
In der Diplomatie geht es häufig vor allem um Worte - und um Symbole. Darum ist es so wichtig, dass die Weltgemeinschaft immer wieder zusammenkommt, um ein gemeinsames Verständnis herzustellen. Um im besten Fall voranzukommen und Fortschritt möglich zu halten. Auch wenn er nicht reichen wird, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Ich kann jede:n verstehen, der/die darüber zutiefst frustriert ist. Ohne Formate wie die Klimakonferenz aber würden wir nicht einmal dieses bisschen Fortschritt erreichen.
Dass dafür ein langer Atem nötig ist, zeigt der Fond zum Ausgleich von Schäden und Verlusten. Vulnerable Staaten wie der Inselstaat Vanuatu kämpfen seit Jahrzehnten dafür, dass die Industriestaaten, bzw. jene, die durch hohe Emissionen die Erderwärmung vorantreiben, Verantwortung für die dadurch entstehenden Schäden übernehmen. Finanzielle Verantwortung. [Link]
Der Weltsaal im Auswärtigen Amt
Auf der vergangenen COP in Ägypten gelang dann eine Grundsatzeinigung – ja, es sollte einen solchen Fonds geben. Dieses Jahr wurde der Topf offiziell eröffnet, direkt zu Beginn der COP28 – und sowohl Deutschland, als auch die VAE haben jeweils 100 Millionen Euro hineingeworfen. Das ist bei weitem nicht genug, aber es ist ein Anfang. Und dass die VAE zahlen, ist ein enorm wichtiges Zeichen.
Die Golfstaaten galten lange als Schwellenländer, nicht als große, mächtige Industriestaaten. Letztere sind durch ihre Industrie maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich. Doch durch den Schub, den viele Schwellenländer in den vergangenen Jahren gemacht haben, tragen sie auch in hohem Maße dazu bei. Die Golfstaaten vor allem durch die Ölförderung. Wenn auch sie für Schäden und Verluste aufkämen, wäre das wohl nur gerecht. Wollen sie aber natürlich eher ungerne. Auch China hat daran kein Interesse. Das Land hat mittlerweile in Sachen Pro-Kopf-CO2-Ausstoß mit Deutschland gleichgezogen, möchte aber ungern zu den Zahlerstaaten gezählt werden.
Dass der loss&damage Fond möglich wurde, lag im vergangenen Jahr auch am Engagement Deutschlands, das sich für das Projekt eingesetzt hat. Außenministerin Annalena Baerbock hat hier viel Vertrauensarbeit bei den vulnerablen Staaten geleistet, indem Deutschland sich klar dafür positioniert hat, dass wirklich nur sie von den Zahlungen profitieren sollen. Nicht etwa China & Co.
Solche Allianzen sind nicht nur wichtig für Fortschritte in der Klimapolitik, solche Allianzen vertiefen diplomatische Verbindungen, die angesichts der schwierigen Weltlage wichtig sind.
Umso bedauerlicher ist es, dass Deutschland diese Allianzen aufs Spiel setzt, weil es beim fossilen Ausstieg auf der Seite der Verhinderer steht.
Mit dem Fond hat die Klimakonferenz in diesem Jahr in jedem Fall schon ein wegweisendes Ergebnis gebracht. Reicht es aus? Nein.
Ist es trotzdem ein enormer Fortschritt? Ich denke ja.
Es ist die Gleichzeitigkeit, die man bezogen auf die Klimakonferenz aushalten muss. Es ist nie genug, aber es bewegt sich was und ohne wär’s halt richtig beschissen.
Sie kennen jemanden, der nur über die Klimakonferenz meckert, ohne die Zusammenhänge zu verstehen? Schicken Sie ihm/ihr diese Newsletterausgabe.
Sie wollen Updates aus Dubai? Abonnieren Sie „Der Tag“ vom Deutschlandfunk. Dort werden mein Kollege Georg Ehring und ich täglich aus Dubai berichten. [Link]
Danke für Ihr Interesse & bis zum nächsten Mal!
Frau Büüsker
Ich möchte einfach nur kurz Danke sagen, ich habe gerne gelesen (und bin noch dabei, die verlinkten Quellen zu lesen).