Klimageld
Klimaschutz kann gelingen, wenn er sozial gerecht gestaltet wird. Denn nur dann wird er genügend Menschen überzeugen. Zum Glück gibt es dafür Ideen!
Moin!
Klimaschutz ist teuer, führt zu weniger Lebensqualität, zu Deindustrialisierung und sozialen Härten. Jedenfalls dann, wenn die Politik die falschen Rahmenbedingungen etabliert, um ihn umzusetzen. Und dann haben Klimaschutzgegner es nur allzu leicht, Ängste zu schüren und die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen zu zerstören. Zeit daran zu erinnern, dass es viele gute Ideen für Rahmenbedingungen gibt, die Klimaschutz gut machen können.
Schön, dass Sie dabei sind!
Klimaschutzpolitik muss gerecht gestaltet werden, damit sie funktioniert. Das ist wahrlich keine ganz neue Erkenntnis, wird aber von den Mitgliedern der Wissenschaftsplattform Klimaschutz gerade noch einem in einer Stellungnahme bekräftigt. Darin identifizieren sie die Lücken in der deutschen Klimapolitik – geben also einen klaren Ausblick, was man besser machen könnte. Und die Klimapolitik eben sozial gerecht aufzustellen, ist bisher verpasst worden.
„Resiliente Transformationspfade zur Klimaneutralität werden erheblich erschwert, wenn eine Gesellschaft durch eine als sehr unfair wahrgenommene Wohlstandsverteilung, durch politische Polarisierung und mangelnde gesellschaftliche Kohäsion geprägt ist, und wenn die ökonomische Ungleichheit zu sozialen Härten führt, die existenzgefährdend sind:
• Werden Krisen existenzbedrohend für bestimmte Gruppen, ist auch deren Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt; die Fähigkeit zu einer aktiven Trägerschaft der Transformation sinkt.
• Verschärft sich der Kontrast zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten erheblich, dann ist Fairness in der Wahrnehmung stark bedroht.“
Die Autor:innen unterstreichen: In den nächsten Jahren muss klimapolitisch so viel passieren, es braucht „eine erhebliche Durchgriffstiefe“ – und das geht nur, wenn alle mitmachen. Wenn es gesellschaftliche Mehrheiten gibt.
Nun bedeutet die Dekarbonisierung, also die Umstellung von Produktionsprozessen und Lebenswirklichkeiten auf fossilfreie Grundlagen, eine erhebliche Veränderung. Fossile Grundstoffe haben unsere Wirtschaft groß gemacht, unser Wohlstand ist darauf aufgebaut. Fossil betriebene Verbrennungsmotoren treiben unsere Mobilität an, sorgen für Elektrizität, sind Grundstoffe für die Industrie. Sogar den Dünger für unsere Felder produzieren wir mit Erdgas. Sorry, wenn Sie das nicht mehr hören können, aber ich finde es wichtig, sich die fossile Durchdringung unseres Lebens immer wieder zu vergegenwärtigen. Veränderung bedeutet in diesem Fall also Investitionen in andere technologische Wege – und das verursacht Kosten. Das ist so, lässt sich leider nicht schön reden.
Auf der anderen Seite verursacht natürlich auch die Erderhitzung wiederkehrende Kosten. Nicht nur durch die Beseitigung von Sturm- und Flutschäden, auch durch Anpassungsmaßnahmen, wie etwa die Etablierung eines Wasserversorgungssystems. Ja, wenn irgendwann die Alpengletscher weg sind und Flüssen trocken fallen, müssen die Menschen trotzdem mit Wasser versorgt werden – das wird Kosten verursachen. Auch deshalb ist ein „weiter so“ eben keine kostenfreie Option, auch wenn gerade Akteure, die Klimaschutzmaßnahmen abwehren wollen, das immer wieder gerne so aussehen lassen wollen. Anyway, lange Vorrede, ab zum Punkt…
CO2 in die Atmosphäre abzugeben und dadurch den Treibhausgaseffekt zu befördern, verursacht also Folgekosten. Und jetzt wird es interessant und der Raum der Möglichkeiten sehr groß! Denn es gäbe einen Geldtopf, mit dem man Klimapolitik sozialpolitisch abfedern und CO2-Einsparung fördern könnte.
Der Hintergrund ist ein klimapolitischer Ansatz, diese beschriebenen Folgekosten schon in der Gegenwart sichtbar zu machen - und die Effekte des Marktes zu nutzen, um Emissionsminderung zu erreichen. Indem CO2 einen Preis erhält. Das ist ganz grob vereinfacht das Grundprinzip des europäischen Zertifikatehandels. Wer CO2 emittiert, muss sich dafür einen Erlaubnisschein kaufen. Die Anzahl dieser Scheine ist begrenzt und wird Jahr für Jahr weniger, also wird es immer teurer CO2 zu emittieren. Auf diese Weise wird der Einsatz fossiler Technologien teurer und unattraktiver, eine Lenkungswirkung hin zu fossilfreien Varianten entsteht, deren Entwicklung angereizt wird. Im Idealfall wird Klimaschutz so da zuerst umgesetzt, wo er am wenigsten kostet.
Wenn Sie sich jetzt denken, Büüsker, wie soll denn Klimaschutz sozial gerecht werden, wenn erstmal alles teurer wird? Weil das Geld, das für CO2-Zertifikate eingenommen wird, in einen großen Topf fließt, mit dem man gute Dinge machen kann. Was genau, gucken wir uns gleich an. Kurz aber noch der Vollständigkeit halber: Bislang gibt es nicht den einen Emissionshandel, sondern verschiedene Systeme.
Auf europäischer Ebene gibt es ein Handelssystem, das für die Bereiche Industrie, Energie und Luftverkehr gilt. Jede Tonne CO2, die ein Braunkohlekraftwerk in die Atmosphäre pustet, muss mit einem Berechtigungsschein hinterlegt werden. Das macht Kohlestrom Stück für Stück teurer und unattraktiver. Theoretisch.
Dieser Preis bildet sich inzwischen frei am Markt (abgesehen von den Zertifikaten, die Unternehmen im Rahmen eines Kontingents kostenlos zugeteilt bekommen, aber lassen wir das kurz außer Acht, um die Nummer nicht noch komplizierter zu machen) und liegt inzwischen recht stabil bei über 80 Euro pro Tonne CO2.
Darüber hinaus gibt es auf deutscher Ebene einen nationalen CO2-Preis für die Bereiche Gebäude und Verkehr – dieser macht Erdöl und Erdgas für Heizsysteme sowie Benzin und Diesel teurer. Dieser Preis ist politisch festgelegt und steigt pro Jahr an. 2027 wird er voraussichtlich in ein zweites europäisches Emissionshandelssystem etabliert, das für diese Bereiche geschaffen wird. Aktuell liegt der national festgelegte Preis bei 30 Euro pro Tonne CO2.
2022 sind über diese beiden Preissysteme 13,2 Milliarden Euro eingenommen worden.
So viel Geld wie nie zuvor.
Dieses Geld fließt in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds, früher Energie- und Klimafonds. Dieser Geldtopf ist aktuell etwa im Gespräch, um den Umstieg auf fossilfreie Heizsysteme zu fördern. Kaufprämien für E-Autos werden daraus auch finanziert – und vieles vieles mehr. Das Ding ist sozusagen die Klimaschatzkiste der Bundesregierung. Hier kann man sich wunderbar bedienen, was dazu führt, dass der KTF inzwischen mehrfach überzeichnet ist. Heißt: Eigentlich ist nicht genug Geld drin, um alle Projekte zu bezahlen. Gleichzeitig werden die Mittel aber auch nicht richtig gut abgerufen, also de facto dann doch noch einiges drin.
Bislang entscheidet also die Bundesregierung, wie diese Gelder ausgegeben werden. Dies geschieht vor allem im Rahmen von Förderprogrammen. Stichwort Kaufprämie für E-Autos: Hier wurden in den vergangenen Jahren sogar Hybrid-Fahrzeuge gefördert, also solche Autos, die neben einem fossilen Motor noch eine kleine Batterie besitzen. Man kann sie betreiben wie fossile Fahrzeuge. Oder eben die rein elektrischen hochpreisigen Modelle, die sich ein bestimmtes Klientel leisten kann. In den vergangenen Jahren haben folglich vor allem Personen von diesen Geldern profitiert, die ohnehin hohe finanzielle Möglichkeiten hatten. Das mag zur Emissionsminderung beigetragen haben – ist aber nicht sozial gerecht.
Inzwischen ist der Umgang mit diesen Geldern etwas besser geworden, aktuell wird in der Debatte über Heizungstausch darüber gesprochen, wie sichergestellt werden kann, dass diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, erreicht werden. Dennoch: Durch falsche Förderrichtlinien wurde lange Geld zugunsten von Besserverdienenden umverteilt, die die finanziellen Möglichkeiten hatten, um überhaupt förderfähige Investitionen zu tätigen.
Dieses Grundproblem könnte dadurch geändert werden, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als Pro-Kopf-Prämie an alle Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt werden.
Eine Klimaprämie, ein Energiegeld, Klimageld, eine Klimadividende – in der politischen Diskussion existieren viele Bezeichnungen dafür. FDP und Grüne hatten entsprechende Konzepte in ihren 2021 in ihren Wahlprogrammen und haben das Konzept eigentlich auch im Koalitionsvertrag vereinbart:
„Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickeln (Klimageld).“
Wie funktioniert das Ganze?
Alle Bürger*innen erhalten den gleichen Betrag – beispielsweise 150 Euro pro Jahr. Egal ob Säugling oder Greisin. Aus dem Topf, in den alle für CO2-Emissionen eingezahlt haben.
Wer viel CO2 freisetzt, zahlt also mehr in den Topf ein, als jemand, der wenig CO2 freisetzt. Alle kriegen aber das gleiche raus. Im Idealfall hat man sogar einen so kleinen CO2-Fußabdruck, dass man am Ende mit mehr Geld da steht, als man eingezahlt hat. CO2 einzusparen würde sich dann lohnen. Plus: Auf diese Weise könnten steigende Kosten abgepuffert werden. Darauf verweist auch die Wissenschaftsplattform Klimaschutz.
„Eine entsprechende Kompensationsstruktur ist besonders für Haushalte mit niedrigen Einkommen entscheidend, da diese proportional zu ihrem Einkommen mehr Geld für Energiekosten ausgeben und damit relativ gesehen stärker unter hohen Energiepreisen leiden.“
Jetzt werden Sie sagen, pfff, 150 Euro, das ist ja ein Tropfen auf den heißen Stein! Ja, viel ist es nicht. Aber: Klimaschutzmaßnahmen würden dadurch spürbar– auf eine gute Art. Nicht durch steigende Kosten, sondern durch eine als potentiell positiv empfundene Auszahlung. Dafür ist es allerdings wichtig, dass diese Zahlung auch wahrgenommen wird – und nicht etwa mit anderen Kosten verrechnet wird. Ein Team der Uni Speyer hat im Auftrag verschiedener Verbände Wege geprüft, wie das funktionieren könnte. Ganz einfach ist es nämlich nicht. Aber auch nicht unlösbar.
Denn obwohl wir ein hochbürokratisiertes Land sind, sind nirgendwo alle Bürgerinnen und Bürger mitsamt ihrer Kontonummer erfasst. Es ist also schlicht nicht möglich von Seiten des Staates proaktiv an alle Geld auszuzahlen. Ja, klingt absurd, ich weiß.
Und das war übrigens in der kriegsbedingten Energiepreiskrise ein wahnsinniges Problem. Denn der Staat musste sich absurde Wege einfallen lassen, wie er sicherstellen konnte, dass alle Menschen von finanziellen Hilfen zur Abmilderung der Energiepreise profitieren konnten. Am Ende kamen solche Dinge raus, wie der Beantragungsweg für Studierende.
„Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, wird die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln.“
Es wäre klug, eine solche Möglichkeit der Auszahlung an alle zu haben.
Der Beschluss des Koalitionsausschusses ist übrigens ein konkreter Arbeitsauftrag an Finanzminister Christian Lindner gewesen. Der bis Ende 2022 nicht erfüllt wurde. Obwohl seine Partei, die FDP, im Wahlprogramm explizit mit einer solchen Zahlung geworben hatte, er als Parteichef damit also auch versprochene Parteipolitik umsetzen würde:
„Darüber hinaus wollen wir Aufkommensneutralität durch die Rückzahlung eines jährlich zu berechnenden pauschalen Betrages, also einer Klimadividende, an jede Bürgerin und jeden Bürger gewährleisten.“
Der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler sowie der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel hatten diesen Vorschlag zuletzt noch einmal bekräftigt:
„Um den Sozialausgleich sicherzustellen, sollen Einnahmen aus dem BEHG in Form des im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimageldes künftig in gleicher Höhe an alle Bürgerinnen und Bürger zurückzahlt werden, wovon insbesondere Menschen mit geringem Einkommen überproportional profitieren.
In den Beschlüssen des Koalitionsausschusses vom März 2023 ist plötzlich nicht mehr die Rede vom Klimageld. Was daraus wird? Tjoa.
Es scheint der Bundesregierung schwer zu fallen, auf diese Klimaschatzkiste zu verzichten. Egal welcher Bundesregierung übrigens. Eingeführt wurde die nationale Bepreisung ja von der Großen Koalition – federführend war hier das SPD-geführte Umweltministerium. In dem durchaus klar war, das eine Pro-Kopf-Prämie sozialpolitisch eine solide Lösung wäre – dies wurde beispielsweise durch das DIW im Auftrag des BMU durchgespielt.
Umgesetzt wurde diese Prämie damals dennoch nicht. Stattdessen hat man zur Abmilderung der durch den nationalen CO2-Preis steigenden Benzin- und Dieselpreise an der Pendlerpauschale gedreht. Diese wurde erhöht. Ja, genau - auf der einen Seite hat man die Spritpreise durch CO2-Bepreisung erhöht, auf der anderen Seite die Spritkosten für weite Pendelstrecken durch Steuervorteile quasi staatlich bezuschusst. Falls Sie sich jetzt an den Kopf packen - ich könnt’s verstehen.
Seit mehreren Jahren gibt es also die politische Idee einer Pro-Kopf-Prämie, wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie sie wirkt (sehr gut!) und wie man sie umsetzen könnte (knifflig, aber machbar) und mehrfach haben sich politische Akteure dazu bekannt, sie umsetzen zu wollen. Es müsste jetzt nur halt mal jemand durch diese Tür durch gehen.
Und das ist nur ein Beispiel, wie Klimapolitik besser werden könnte. Was wichtig für die Akzeptanz wäre - auch darauf weist die Wissenschaftsplattform Klimaschutz in ihrer Stellungnahme hin.
”Nur wenn man deutlich machen kann, wie die geplanten Vorhaben den Nutzen für einen selbst und andere verbessern und in welchem Ausmaß positive Identifikation ermöglicht wird, kann mit höherer Akzeptanz gerechnet werden.”
Und nein, die Aussicht, die Erderhitzung zu begrenzen und damit die Welt lebenswert zu halten, reicht als Anreiz leider nicht aus, weil dies leider viel zu abstrakt ist. Aber gut, dass es darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Ideen gibt. Das Klimageld ist nur eine. Ein Ansatz, der vor allem das Bewusstsein fördern könnte, einen kleinen Kompensationsansatz schaffen würde, der wahrscheinlich zielgruppenspezifisch ergänzt werden müsste. Aber auch dafür gibt es Ideen. Es müsste nur halt mal wer machen. Zum Beispiel eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung.
Bis zum nächsten Mal
Frau Büüsker
Interessanter Artikel mit vielen interessanten Einblicken!
Kurzes Feedback zur Form: Wenn man den Artikel auf einem Smartphone in der Substack-App ließt werden Link-Titel (die ja idR Artikel-Text sind) nach einer gewissen Zeichenzahl mit "..." abgekürzt, weshalb große Teile des Artikels auf magische Weise verschwindend. Nur so als Hinweis.
"Und nein, die Aussicht, die Erderhitzung zu begrenzen und damit die Welt lebenswert zu halten, reicht als Anreiz leider nicht aus, weil dies leider viel zu abstrakt ist."
Ist das nicht dennoch schrecklich traurig und frustrierend?!