Die Klimakonferenz anders erzählen
Einen wunderschönen!
Na, beim Stichwort „Klimakonferenz“ überhaupt noch Bock weiterzulesen? Nein? Jo, kann ich verstehen. Auch in diesem Jahr war die Erzählrichtung der tagesaktuellen Berichterstattung die übliche: Die Trottel können sich schon wieder nicht innerhalb der Deadline einigen, überziehen den Bumms und handeln in einer Nachtschicht irgendeinen halbgaren Kompromiss aus.
Und so hab ich in den letzten Tagen sehr oft die Frage gehört: Oder soll man es lassen?
Ne, sollte man nicht. Aber anders erzählen sollte man rund um die Klimakonferenz und internationale Klimapolitik im Allgemeinen schon.
Was es so alles zu erzählen gäbe, darum geht es in dieser Newsletterausgabe.
Schön, dass Sie dabei sind!
Kleiner muffeliger Einschub vorweg - Ein großes Problem der gesellschaftlichen Debatte über Klimaschutz bleibt aus meiner Sicht, dass wir viel lieber Alibidiskussionen führen. Statt einer Auseinandersetzung über die Zusammenhänge von internationalem Klimaschutz (is ja auch unübersichtlich), stürzt sich die öffentliche Wahrnehmung auf Seitenaspekte wie: Wer ist alles mit dem Flugzeug angereist?
Ja, es ist schon absurd, dass Menschen aus aller Welt an einen Ort fliegen, um dort über Klimaschutz zu sprechen, wo doch der Flugverkehr tüchtig Emissionen freisetzt. Nur funktionieren diese Verhandlungen in einem Zoom-Call halt nicht so gut – dazu gleich mehr. Aber natürlich ist die Flugtätigkeit ein Thema, zu dem jede:r schnell eine Meinung hat. Und entsprechend ist der Zugang auch medial verführerisch, weil er so anschlussfähig ist. Diese Flitzpiepen, fliegen die da hin, ausgerechnet inne Wüste, kann ja nich deren Ernst sein.
So wie es gerade total verlockend ist, umfangreich über die Frage zu streiten, wie weit Klimaaktivismus gehen darf. Wenn Autokorsos gegen hohe Spritpreise Straßen blockieren, ja mei, is ja auch teuer grad, aber wehe da kleben sich vermeintliche Gutmenschen fest. Da wird direkt die rhetorische Bazooka rausgeholt.
Und wieder wird nicht über Klimaschutz gesprochen und warum er nicht ambitionierter gelingt. Die Debatte ist geschwind auf ein anderes Gleis gesetzt worden, alle streiten sich, alle sind empört, alle haben eine Meinung und nach ein paar Wochen Schaum vorm Mund geht es zurück zum Status quo.
Diese banalen Streitfragen ziehen leider viel besser, als echte handfeste Klimaschutzdebatten.
Die ja viel komplizierter sind, weil bedeutend weniger schwarz/weiß. Dabei wäre es gerade im Verkehrssektor so wichtig, dass wir hier auch als Gesellschaft mal vorankommen.
Alles umstellen auf Elektromobilität löst die Nummer hier nämlich ebenso wenig wie ein Tempolimit.
Dass ausgerechnet bei diesem Thema aber gerade nichts vorangeht und die Frage einer wirksamen Politikstrategie wieder auf das kommende Jahr verlagert wurde – hochgradig frustrierend. Denn es ist der Verkehrssektor, der seit Jahren Sorgenkind der Emissionsminderung ist. Er verfehlt seine Ziele, Transformation ist hier eine mindestens mittelfristig angelegte Sache. Ich will aufgrund einer Hemmung vor allzu schlechten Wortwitzen ungerne davon sprechen, dass es allerhöchste Eisenbahn wäre, hier mal voranzukommen, aber ja, so ist es nunmal. Denn selbst da, wo Ideen ambitioniert sind, ruckelt es in der Umsetzung – Beispiel Baden-Württemberg.
Und ja, hier sind auch Journalist:innen in der Verantwortung, sich nicht am Themen-Derailing zu beteiligen. Deshalb: Themenwechsel. Auf zur COP27.
Das Konferenzgelände wurde in den Verhandlungsnächten der letzten Tage ein ziemlich einsamer Ort…
Kleiner Disclaimer: Ich bin erst ab dem Mittwoch der zweiten Woche dort gewesen, angereist mit der Außenministerin, die ja die Internationale Klimapolitik zu sich ins Ministerium geholt hat. Vorher war das Umweltministerium zuständig. Und ich denke, man kann festhalten: Wenn die Außenministerin verhandelt, hat das international mehr Gewicht und es führt auch dazu, dass die geopolitischen Aspekte von Internationaler Klimapolitik stärker zum Tragen kommen. Stichwort Verhältnis zu China.
Erstes persönliches Learning:
Die Klimakonferenz ist auch eine riesige Ideenexpo.
Staaten, Staatenverbünde und Organisationen präsentieren in sogenannten „Pavillons“ aka Messeständen sich und ihre Ideen zur Lösung der Klimakrise. Oder eben ihre Greenwashing-Ansätze. Insbesondere bei den ölfördernden Staaten wird vorne raus in bunten Bildern präsentiert, wie geil man das mit der Klimaneutralität anpackt, während sie sich in den politischen Verhandlungen dafür einsetzen, möglichst lange noch fossile Türen offen zu lassen. Insofern nachvollziehbar, als dass der Ölverkauf für Staaten wie Saudi-Arabien schlicht ein Machtfaktor ist, gerade jetzt, wo viele Staaten weg vom russischen Fossilstoff wollen. Dass die USA Kronprinz bin Salman Immunität verleihen wollen, obwohl er in den Mordfall Khashoggi verstrickt ist, liegt wahrscheinlich nicht daran, dass er so ein sympathischer Mensch ist.
Anyway, wir waren beim Aspekt Ideenexpo! Hier lassen sich beim Gang über das Gelände wirklich zahlreiche interessante Ansätze entdecken. Auch in den diversen Diskussionsveranstaltungen – die Liste der „side events“ ist ellenlang – insofern eine hervorragende Möglichkeit zur internationalen Vernetzung und Anbahnung von Zusammenarbeit. Was auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene funktioniert. So haben sich verschiedene deutsche Organisationen, darunter die Fridays for future mit Aktivist*innen aus dem Senegal zusammengetan, um gegen die dortige Gasförderung aktiv zu werden.
Die Aktivist:innen haben auf einen aus meiner Sicht berechtigten Widerspruch hingewiesen.
Auf der einen Seite hat Deutschland sich bei dieser Klimakonferenz dafür eingesetzt, dass ein Fonds eingerichtet wird, über den die reichen Industriestaaten die klimabedingten Schäden und Verluste der besonders verletzlichen Entwicklungsländer ausgleichen. Dass diese Einigung nach jahrzehntelangen Forderungen der betroffenen Staaten nun möglich war, liegt auch (nicht nur. Ich verkürze)mit daran, dass Deutschland sich klar positioniert und andere Staaten überzeugt hat. In Zukunft könnten also auch klimabedingte Schäden im Senegal möglicherweise ausgeglichen werden – mit deutschem Geld.
Während vor der Küste von Senegal und Mauretanien gerade ein großes Gasfeld erschlossen wird, für das die Europäer Schlange stehen, alle möchten gerne Gas von hier.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Mai vor Ort für eine enge Kooperation geworben. Inwieweit gar Fördermittel oder Kredite in das Projekt fließen könnten, ist noch unklar. In jedem Fall trägt Deutschland aber dazu bei, dass die Erschließung des Gasfeldes lukrativ wirkt. Hier wird fossile Infrastruktur gebaut, die mehrere Jahrzehnte betrieben werden wird. Und die Nutzung des geförderten Erdgases wird zu weiteren klimabedingten Schäden und Verlusten führen. Es fließt also viel Geld in die Erschließung des Gasfeldes, in den Kauf des Gases und dann nochmal in den Ausgleich der gasbedingt entstehenden Klimawandelschäden.
Man könnte hier die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller wäre, die vorhandenen und ja durchaus begrenzten Finanzmittel direkt in den Aufbau einer dekarbonisierten Infrastruktur zu investieren, so jedenfalls die Sichtweise der Klimaaktivist:innen.
Vielleicht ist der Senegal damit auch ein gutes Beispiel dafür, wie wirkmächtig sowohl fossile Konzerne, als auch eingespielte Routinen sind – die Gas noch immer als wichtigen Motor für die Industrie betrachten.
Weshalb es auf dieser Klimakonferenz auch erneut nicht gelungen ist, einen klaren Ausstiegspfad für Öl und Gas ins Abschlussdokument zu verhandeln.
Und damit sind wir beim zweiten Strang der COP 27 – den internationalen Verhandlungen.
Mir ist erst jetzt bewusst geworden, wie vielschichtig diese Verhandlungen sind. Denn es ist ja keinesfalls so, dass es da nur um ein gemeinsames Abschlussdokument geht – es geht um diverse inhaltliche Vereinbarungen, die ihren Ursprung teils im 1992er Rahmenabkommen haben oder aber auch im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 – und es ist wahnsinnig viel Textarbeit. Um die diversen Arbeitstexte herum kommt dann die eigentliche politische Abschlussserklärung – die cover decision, die das alles rahmt. Die Textarbeit basiert auf der Vorarbeit der Konferenzleitung, die Texte erarbeitet und veröffentlicht und dann geht es in den „party driven“ Beratungsprozess, wo in offenen Diskussionsrunden und bilateralen Treffen verhandelt wird.
Denken Sie bitte einmal kurz zurück an Referate zu Schul- oder Unizeiten. Erinnern Sie sich an die quälenden Abspracheprozesse? An die eine Person, die alle anderen für sich hat arbeiten lassen? An die Person, die das Thema gemäß ihrer eigenen Vorstellungen angehen wollte und auf Absprachen geschissen hat? Ok, stellen Sie sich das jetzt mit fast 200 beteiligten Staaten vor. Intensive Textarbeit mit Ringen über Nebensätze und Formulierungen. Urgh.
Ja, genau das ist der Prozess, an den wir in der öffentlichen Wahrnehmung mit Leitfragen rangehen wie „Wird auf der Klimakonferenz die Welt gerettet?“
Ne, natürlich nicht, das ist in so einem Format vollkommen unmöglich.
Erst recht, wenn die Konferenzleitung erst sehr spät überhaupt Texte vorlegt, auf deren Basis diskutiert werden kann, sodass über Tage hinweg alle ziemlich im Nebel stochern. Genau so geschehen in diesem Jahr. Die ägyptische Konferenzleitung hatte es nicht so mit Transparenz – was sogar so weit ging, dass verschiedene Textfassungen überhaupt nicht veröffentlicht wurden, sondern in einer legendären Nachtsitzung auf Samstag hin von den Delegationen lediglich kurz angeguckt werden durften. Fotografieren auch verboten. Textarbeit auf Basis von Erinnerungen übermüdeter Gehirne, ja, danke für nix. Auch aus Perspektive der Presse – denn ohne veröffentlichte Dokumente könnten wir auch nur auf Zwischenstände verweisen, die uns von politischer oder NGO-Seite durchgestochen wurden.
Und auf der Basis wirst du dann als Reporterin gefragt, wie lange du glaubst, dass das Ganze noch dauert. Nachvollziehbare Frage – aber aus meiner Sicht ein falscher Schwerpunkt.
Entscheidend ist nicht die Frage, wie lang die COP dauert.
Entscheidend ist die Frage, wer wo wie welche Haltung einnimmt, wie sich Bündnisse entwickeln und verändern, wie Kompromisse entstehen und wie sie am Ende aussehen. Nicht, weil das, was in der Abschlusserklärung steht, dazu geeignet ist, das Weltklima zu retten. Es aber zumindest ein bisschen besser zu machen. Und weil die Verhandlungen die Basis sind für alles, was am Tag nach der Klimakonferenz weitergeht.
Neue internationale Allianzen, die in den Verhandlungen entstanden sind, möglicherweise Brüche zwischen fossilen Partnern, zivilgesellschaftlich Bündnisse, die ihre Kräfte bündeln. Konkrete Abkommen, die auf Klimakonferenzen auf den Weg gebracht werden und bilateral Dekarbonisierung anschieben. Wissenschaft, die sich vernetzt und ihre Themen auch in andere internationale Öffentlichkeit hinein bringt.
Lösungsansätze, die sich nicht ganz so gut erzählen lassen wie „Jetzt haben die Flitzpiepen wieder länger gebraucht“ oder „Ja, alle hingeflogen, glaubt man das denn.“, aber vielleicht ein bisschen konstruktiver wären.
Vielleicht.
Danke für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal! Vielleicht.
Frau Büüsker