Moin!
Herzlich Willkommen in Ausgabe Nummer 1 von „der üüberblick“ – einem „ich probiere mal was aus, mal gucken wie das wird, schaden kanns ja nich“-Projekt. Danke, dass Sie mich damit in Ihr Postfach lassen!
Die erste Ausgabe wird ganz tagesaktuell ein Deep Dive in eines meiner liebsten Nerdthemen, mit dem sich heute auch das Bundeskabinett beschäftigt hat. Ziehen Sie sich Gummistiefel an, wir gehen gleich ins Moor.
Das soll nämlich wieder nass werden. Wie das gelingen kann & warum das für den Klimaschutz sehr wichtig wäre, darum geht es in dieser ersten Newsletter-Ausgabe. Zum Einstieg wird es monothematisch, in Zukunft dann variantenreicher.
So, Schuhwerk sitzt?
Na dann los.
Das größte Problem der deutschen Moore ist, dass Sie auf über 90% der Flächen gar keine Gummistiefel mehr brauchen, weil die Flächen trockengelegt wurden. Um sie landwirtschaftlich zu bewirtschaften, um auf ihnen zu bauen, um Truppenübungsplätze auf ihnen zu errichten und vieles mehr.
Komplette Landschaften wurden in teils mühevoller Handarbeit trocken gelegt, um sie urbar zu machen – eine beeindruckende Kulturleistung, die Wohlstand in sonst karge Regionen gebracht hat. Norddeutschland war den römischen Legionen zu nass, pampig und Bodenschätze gabs hier auch keine zu holen, aber jetzt gibt’s weitläufige Weideflächen für Milchkühe, die Weidegras in Eiweiß verwandeln. Gamechanger!
Ja, gut, spektakulär sieht das landschaftlich jetzt nicht aus und dieses unscheinbare Aussehen der Moore und Moorböden führt auch dazu, dass ein entscheidender Klimaschutzfaktor lange nicht so klar war: Trocken gelegte Moore emittieren enorme Mengen CO2. Ohne jetzt durch die unterschiedlichen Moor- und Moorbodentypen (Hochmoor, Niedermoor, Anmoor) galoppieren zu wollen, hilft es vielleicht, sich vor Augen zu führen, dass Moorböden einen hohen Anteil organischer Masse haben. Abgestorbene Moose, Schilf etc. entwickeln sich in nasser, sauerstoffarmer Umgebung zu Torf. Kommt der dann aber durch Trockenheit mit Sauerstoff in Berührung, beginnt die große Zersetzungsparty, das CO2 sagt byebye und feiert in der Atmosphäre weiter. Jährlich setzen trocken gelegte Moore so etwa 53 Millionen Tonnen CO2 frei, das entspricht, Achtung, festhalten, etwa 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen.
Ungünstig.
Kann man aber was dran machen. Die Bundesregierung hat nun (heute, am 9.11.22) eine nationale Moorschutzstrategie verabschiedet, zu der es auch gehört, Moore wieder nass zu machen. Klingt total banal, ist aber tricky. Die Flächen sind vielfach Eigentum, das eben landwirtschaftlich genutzt wird – das heißt, die landwirtschaftlichen Betriebe brauchen andere Wertschöpfungsmöglichkeiten. Mit Varianten der Teilvernässung kann man Flächen zumindest teilweise noch für Milchkühe zugänglich halten, steht das Wasser höher, hat das Weidegras schlicht nicht mehr genug Bumms, um die Kühe satt zu machen oder wächst eben gar nicht mehr. Der Anbau von Rohrkolben oder Schilf wird derzeit in Modellversuchen ausprobiert – erfordert aber völlig andere Herangehensweisen und für die Produkte gibt es noch keine Wertschöpfungsketten, obwohl man mit diesen Naturprodukten teilweise verdammt coole Sachen herstellen kann. Dämmermaterial für Häuser beispielsweise – angesichts der Klima- und Energiekrise eigentlich gerade gefragt, aber Wertschöpfungsketten fallen halt nicht vom Himmel.
Entsprechend wird nun versucht mit Anreizen, Förderprojekten und einer Umstellung der Agrarförderung Mittel so umzuschichten und zu lenken, dass es für landwirtschaftliche Betriebe attraktiv wird, ihre Moorflächen wiederzuvernässen. Außerdem soll die Forschung und Entwicklung intensiviert werden, um neue Wertschöpfungsketten zu schaffen. Viele kleinteilige Maßnahmen, die da zusammenkommen. Für eine große Aufgabe fehlt also bislang ein großer Hebel, deshalb versucht man es mit vielen kleinen. Das Konzept der Flächenwiedervernässung basiert dabei auf Freiwilligkeit, das betont das Umweltministerium immer wieder. Die Moorschutzstrategie bildet dabei sozusagen die normative Grundlage, auf der weitere politische Maßnahmen umgesetzt werden, zum Beispiel das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, in dem Moore auch eine große Rolle spielen. Hierfür sind 4 Milliarden für diese Legislaturperiode eingeplant – also durchaus nennenswerte Summen. Für die allerdings noch geklärt werden muss, wie man das Geld konkret zu den Leuten bringt…
Und was bringt das Ganze?
„Durch Wiedervernässungen lassen sich durchschnittlich zwischen 10 und 35 Tonnen Kohlenstoffdioxidemissionen pro Hektar pro Jahr vermeiden.“
Nun ist aber ja nicht das Ziel, alle Moorböden in Deutschland wiederzuvernässen, das ist wegen Bebauung, Eigentumsverhältnissen und Infrastruktur überhaupt nicht drin. Aber landwirtschaftlich genutzte Moorflächen sollen so „moorfreundlich“ bewirtschaftet werden, dass
„bis zum Jahr 2030 die jährlichen Treibhausgas-Emissionen aus Moorböden um mindestens 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden.“
Das ist nicht sonderlich ambitioniert, wie Umweltverbände auch bei der Moorschutzstrategie der Vorgängerregierung kritisiert hatten. Die wegen Widerständen aus dem Landwirtschaftsministerium übrigens nie als Projekt der gesamten Regierung verabschiedet wurde. Hier hat die Ampel aber schlicht die alte Ambition übernommen.
Aber Obacht!
Tatsächlich stehen in der Moorschutzstrategie aber ein paar Aspekte, die es in sich haben. Ziel ist es, gesetzlich festzulegen (wahrscheinlich im Bundes-Bodenschutzgesetz – ja, ich war auch überrascht was es alles gibt), dass der Moorschutz im öffentlichen Interesse liegt.
Na, klingelt was? Genau, das hat die Ampel sehr ähnlich gerade erst bei Erneuerbaren Energien gemacht, um diese schneller ausbauen zu können. Hintergrund ist, dass dies bei Genehmigungsverfahren Abwägungsentscheidungen vereinfachen soll. Dann geht Moor eben vor.
Es wird aber noch interessanter:
„Die weitere Inanspruchnahme von Moorböden Siedlungs- und Verkehrszwecke soll künftig vermieden werden. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass durch eine Umwandlung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Moorböden in Siedlungs- und Verkehrsflächen nicht neue Hemmnisse für Wiedervernässungsmaßnahmen entstehen oder verfestigt werden.“
Dadurch könnte so manches Bauprojekt – Entschuldigen Sie das schlechte Wortspiel, ich kann nicht anders – absaufen.
Für den Klimaschutz, aber auch den Schutz der Biodiversität insgesamt eine ganz gute Entwicklung, aber für landwirtschaftliche Betriebe erhöht das den Transformationsdruck um ein Vielfaches. Wie sehr diese Entwicklung ganze Regionen verändern könnte, diskutieren wir als Gesellschaft bisher nicht mal im Ansatz. Strukturwandel durch den Kohleausstieg ist inzwischen als Thema angekommen. Brace yourself, die nächste Stufe ist Strukturwandel durch Moorwiedervernässung.
Und als wären das nicht schon genügend Ebenen…
Die Nummer wird noch zwei bis drei Umdrehungen komplizierter. Denn bislang sind ganze Landstriche darauf ausgelegt, dass das Wasser aus ihnen herausgeleitet wird. Konkret heißt das: Komplexe Grabensysteme sorgen dafür, dass das Wasser abfließt. All das muss umgestaltet werden. Was den Wasserpegel in Landschaften anhebt, dort stehenden Häusern gegebenenfalls das Wasser in die Keller drückt. Betroffen sind also auch Eigentumsverhältnisse, die mit den zu vernässenden Flächen gar nichts zu tun haben.
In Zeiten der klimabedingten Extremwetterereignisse kann die Verfügbarkeit von Wasser wiederum zu einem Problem werden – wenn über Wochen hinweg kein Regen fällt. Auch deshalb ja die Idee, wiedervernässte Moore als eine Art Wasserspeicher zu nutzen, so sieht es das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vor. Nur: Dieses Wasser muss man auch erstmal haben.
Extreme Wetterphasen, konkret Dürren, bergen eine weitere Gefahr – Unkontrollierbare Brände. Torf brennt ganz solide, deshalb wird er noch heute in waldarmen Regionen als Brennmaterial benutzt. Wenn trocken gelegte Moorflächen in Brand geraten, wird es richtig unangenehm, das hat sich 2018 beim großen Moorbrand im Emsland gezeigt. Auf einem Truppenübungsplatz wurde der Moorboden bei Übungen in Brand gesetzt. Diese Feuer sind deshalb so tückisch, weil sie unterirdisch schön schmoren und das Löschen deshalb extrem schwierig ist. Und was im Falle eines solchen Brandes an CO2 freigesetzt wird, ist definitiv nicht feierlich. Trocken gelegte Moore werden also in extremen Dürrezeiten zu einem Risikofaktor.
Kurzum: Moore trockenzulegen war mal eine sehr nachvollziehbare Idee, dank der Wissenschaft verstehen wir jetzt aber viel besser, welche negativen Folgen das mit sich bringt. Interesse an mehr? Ab zum Moor Centrum Greifswald.
Oder Podcastplayer starten:
Hier zum DLF-Hintergrund
Und als nächstes?
Die nächste Ausgabe steht wahrscheinlich ganz im Zeichen der Weltklimakonferenz in Sharm el Sheikh, zu der ich nächste Woche, wenn alles gut geht, reisen werde (es ist immer noch Pandemie, man weiß ja nie). Für mich wäre es das erste Mal und natürlich stelle ich mir aus der Ferne auch die Frage “Muss diese Konferenz wirklich sein?”. Um eine Antwort auf diese Frage zu geben, würde ich’s mir aber lieber erstmal angucken. Zum Warmwerden empfehle ich aber Christian Schwägerls kritische Ode an Umweltkonferenzen:
UN-Umweltgipfel: „Greenwashing“ und Zeitverschwendung – oder doch nicht?
“Selbst wenn man dem Geschehen nur in den Nachrichten folgt, kann man förmlich sehen, wie die Gesichter von Tag zu Tag grauer werden. Die Stimmung wird entsprechend immer gereizter – als wären die Umweltgipfel eine Olympiade in der Disziplin Burn-out.”
Tjoa, nun, auf geht’s, wah?
In diesem Sinne - danke fürs Lesen und vielleicht bis zum nächsten Mal!
Frau Büüsker